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News

Eindrückliches von der Einsatzfront

Die Fachtagung des SZSV am 7. Mai 2024 lockte rund 130 Kaderleute des Zivilschutzes nach Olten. Auf dem reich befrachteten Programm standen News aus Verband, Parlament und BABS und die Ehrung zum «Zivilschützer des Jahres 2024». Eindrücklich insbesondere ein Tatsachenbericht dreier Mitglieder des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) von deren Einsatz nach dem Erdbeben in der Türkei.

Verbandspräsidentin Maja Riniker erläuterte zu Beginn der Fachtagung in Olten den Grund, weshalb sie sich entschieden hat, an der GV 2025 von ihrem Amt zurückzutreten – ein Entscheid, den sie erst zehn Tage zuvor bekanntgegeben hatte. Viele wichtige Geschäfte für den Zivilschutz stehen dieses und vor allem nächstes Jahr an, bei denen der Verband eine Präsidentin nötig haben wird, die unmissverständlich Stellung beziehen kann. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang die Debatte über das künftige Dienstpflicht-Modell, mit welchem die rückläufigen Bestände von Armee und Zivilschutz korrigiert werden soll. Ende Jahr wird der Bundesrat bekanntgeben, weshalb er entweder für die sogenannte Sicherheits-Dienstpflicht oder aber die bedarfsorientierte Dienstpflicht ist. «Aber welches Modell auch immer bevorzugt wird, wir vom Zivilschutz werden auf jeden Fall davon profitieren», ist Riniker überzeugt. Sie sprach weitere zentrale Themen an wie den Werterhalt der Schutzbauten oder die Revision der Zivilschutzverordnung.

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Ebenso fesselnd wie bewegend

Die nächsten knapp zwei Stunden standen ganz im Zeichen eines ebenso informativen wie fesselnden und emotional bewegenden Tatsachenberichtes dreier Mitglieder des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH), die nach dem Erdbeben am 6. Februar letzten Jahres in der Türkei und Syrien im Einsatz standen: Basil Brühlmann und Daniel Jost von Schutz & Rettung Zürich sowie der selbstständige Bauingenieur Mike Kunz, der als Structural Engineer vor Ort half.

Ihr Einsatzort: Antakya, ganz in der Nähe zur syrischen Grenze – zwar nicht das Epizentrum des Erdbebens, aber der Ort mit den massivsten Schäden. Zur Erinnerung: An besagtem 6. Februar 2023 bebte die Erde um 04.17 Uhr Ortszeit mit einer Stärke von bis zu 7.8. Zu einer Zeit also, wo die Menschen in ihren Häusern schliefen. Kein Wunder, ist heute die Rede von 50’000 Toten – und geht man davon aus, dass es in Wirklichkeit drei- oder viermal so viele waren, die ums Leben kamen.

Mike Kunz erläuterte auf der Karte die seismischen Bewegungen und Verwerfungslinien und sprach von nicht weniger als 1600 Nachbeben. Laut den Spezialisten in den USA sind in besagtem Gebiet seither die GPS-Daten um fünf Meter verschoben.

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Unter den Trümmern eine Amputation vorgenommen

In der Folge schilderten die drei ihre Rolle und ihren ganz konkreten Einsatz als Teil der Rettungskette Schweiz und im internationalen Verbund. Laut Basil Brühlmann war es eine gewaltige Herausforderung, abzuschätzen, wie die Informationen der Militärpolizei der Armee zu werten waren. Sprich: Abzuschätzen, ob wirklich am Punkt X die Rettung am nötigsten war oder ob persönliche Interessen im Spiel waren. Mike Kunz schilderte die Rettung eines jungen Mannes nach 14 Stunden. Er sprach vom Runtersteigen zum Verschütteten mit Sicht auf eingeklemmte Leichen. «Die ersten sechs Stunden haben wir nur gegraben, um zu sehen, wie er da überhaupt drin liegt», sagte Kunz. Weil nicht genügend Medikamente zur Verfügung standen, um ihn zu sedieren, gab man dem 18-Jährigen – nach Rücksprache mit dem Vater – Alkohol, um ihn zu beruhigen, so dass man weiterarbeiten konnte. Nach zehn Stunden war ersichtlich, dass er ab Mitte Brust auf seiner bereits toten Mutter lag. «Und wir entschieden in den Trümmern, dass wir den bereits verfärbten Arm amputieren mussten, um sein Leben retten zu können.» Erst drei Stunden nach der Bergung, nach einem überaus schmerzhaften Transport, kümmerte sich ein Arzt um den jungen Mann, der später erzählte, von der Amputation und der Rettung habe er keinerlei Erinnerung mehr ...

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90 Länder standen mit 11'278 Rettungskräften im Einsatz

Basil Brühlmann gab Einblicke in die Art und Weise, wie die Teams vor Ort, praktisch ohne jegliche Informationen, die Gebiete einteilten. Und dass man bis zum Schluss des Einsatzes kein wirkliches Lagebild hatte. «Wir arbeiteten dort, wo man relativ rasch Aussicht auf Rettung hatte – und nicht dort, wo man, ohne Aussicht auf Erfolg, tagelang graben musste.» Der Vater dreier Kinder erzählte vom «schrecklichsten Moment» des ganzen Einsatzes, als er die unbestätigte Meldung erhielt, am Standort eines Kinderspitals habe man «weit unten Stimmen gehört». Er habe sich schweren Herzens dafür entschieden, dort weiterzuarbeiten, wo klare Informationen vorgelegen seien…

Die Zahlen hinter ihrem Einsatz: 90 Länder standen im Einsatz mit 11'278 Rettungskräften und 396 Suchhunden. 300 Menschen konnten gerettet werden. Sprich: Es war dies der erfolgreichste Einsatz der Schweizer Rettungskette seit deren Bestehen. Die drei beantworteten Fragen und erhielten verdientermassen einen langanhaltenden Applaus. Auch Reto Haltinner von der Projektgruppe Fachtagung, welche den Anlass in Olten einwandfrei organisiert hatte, zeigte sich «sehr beeindruckt» vom Geschilderten. Und drückte allen ein SZSV-Sackmesser in die Hand.

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News aus erster Hand aus dem BABS

Informationen aus dem BABS servierte nach dem Mittagessen Frank Fässler, Stv. Chef Geschäftsbereich Zivilschutz und Ausbildung. Er ging auf die Rekrutierungszahlen im Zivilschutz ein und erläuterte hernach den vorgesehenen Zeitplan der BZG-Revision mit der Beratung im Parlament in der Herbst- oder Wintersession und, läuft alles wie geplant, Inkrafttreten am 1. Januar 2026.  Weitere Themen Fässlers waren die Soldanpassung sowie die Umsetzung des Konzeptes Schutzbauten. Er unterstrich, dass die Schweiz im internationalen Vergleich über ein «gutes und gut ausgebautes System» verfüge. Die Bedarfsplanung der Kantone für Schutzanlagen läuft bis Ende 2025. Zwar müsse die Aufhebung kleinerer Schutzräume geprüft werden, aber: «Wir sind der Überzeugung, dass jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Schweiz einen Schutzplatz in einem Schutzraum in der Nähe seines Wohnortes haben muss!» Bezüglich Beschaffung des persönlichen Zivilschutz-Materials soll der Anbieter bis Mitte Jahr auserkoren sein, ab Anfang 2025 sollte die Beschaffung im Gange sein.

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Einblicke in eine ganz andere Welt

Vom 25. bis 27. Oktober 2024 findet die dritte Ausgabe des Cybathlon in einem globalen Format in der Arena Schluefweg in Kloten statt. An diesem Wettkampf messen sich Menschen mit körperlichen Behinderungen beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben. Unterstützt werden sie dabei von modernsten technischen Assistenzsystemen, in welche Marionna Münger von der ETH Zürich und ihr Team an der Fachtagung an Workshops Einblick gaben. So konnte man an einen Posten versuchen, mittels Armprothesen eine Murmel zu greifen und zu platzieren. In einem anderen Raum war die räumliche Orientierung mit dem Hörsinn gefragt, als es darum ging, mit einem Blindenstock um Hindernisse zu navigieren. Neckisch schliesslich die Herausforderung, Kraft seiner – idealerweise entspannten – Gedanken und via Elektroden virtuelle Türen zu öffnen. Den anwesenden Zivilschutz-Kaderleuten erschlossen sich neue Welten.

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 Zum Vormerken: 2025 wird die Fachtagung seit langem wieder auf zwei Tage verteilt sein, und zwar am 27. und 28. Mai in Schwarzenburg.

 Präsentationen: Download als PDF