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Informative Fachtagung des SZSV in Olten

Die Fachtagung des SZSV am 16. Mai 2023 lockte rund 150 Kaderleute des Zivilschutzes nach Olten. Auf dem reich befrachteten Programm standen News aus Verband, Parlament und BABS, aber auch interessante und aufschlussreiche Referate zu verschiedensten aktuellen Themen. Referate wie dasjenige der beiden THW-Vertreter, die von der Katastrophe im Ahrtal berichteten – und die unter die Haut gingen.

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Verbandspräsidentin Maja Riniker ging zu Beginn der diesjährigen Fachtagung in Olten nochmals auf die Entscheide an der Generalversammlung Ende März ein und bedankte sich für das Vertrauen. Nicht zuletzt die anwesenden Kaderleute machten den Verband aus, nicht zuletzt für sie baue man das neue SZSV-Haus, betonte sie. Auch deshalb sei die künftige Kommandantenkonferenz einer der wichtigsten Pfeiler der Reorganisation, welche man ab 1.1.2024 im Verband leben wolle. «Eine Krise löst die nächste Krise ab», sagte Riniker und machte so die Überleitung zur Aktualität im Bundesparlament, wo sie als Nationalrätin auch Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission (SiK) ist. All diese Krisen hätten die Berechtigung des Zivilschutzes untermauert und die Bekanntheit der grün-orangen Uniformen gestärkt, sagte sie. «Die Wertschätzung uns gegenüber ist gross, der Zivilschutz ist nicht mehr wegzudenken.» In der Folge ging sie auf die Alimentierungsprobleme von Armee und Zivilschutz ein, auf die angedachte Dienstpflicht für Frauen und auch auf den «Kampf um die Zivis». Sie freue sich auf diese Diskussion, die aber hoffentlich eine sachliche sein werde. Am Ende, irgendwo «mit Horizont 2030», stünden eine Volksabstimmung und eine Verfassungsänderung, ist Maja Riniker überzeugt.

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Die SZSV-Präsidentin erläuterte in der Folge aktuelle Vorstösse im Bundesparlament von ihrer Seite wie etwa eine Alarmierung der Bevölkerung bei künftigen Naturkatastrophen via «Cell Broadcast» über ihr Handy oder die sofortige Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst. Und sie erwähnte auch, dass sie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Anlass genommen habe, auf eigene Kosten eine Studie zu erstellen, welche eine Analyse der Auswirkungen des Krieges auf die ukrainische Bevölkerung und die daraus abzuleitenden Folgen für den schweizerischen Bevölkerungsschutz vornimmt.

293 AdZS im BULA «extrem zuverlässig» im Einsatz

Ende Juli und Anfang August letzten Jahres wurde das Goms im Wallis zur Zeltstadt. Nicht weniger als 30'000 Teilnehmende sorgten am Pfadi-Bundeslager (BULA) für ein grosses Erlebnis – und stellten den Zivilschutz vor Ort vor Herausforderungen, wie Silvan Lorenz, ZS-Kommandant Region 1 ZSO Brig, als erster Referent der Fachtagung erklärte. Man habe sich im Rahmen der Planung die Frage gestellt: Wie gehen wir vor, wenn es mit diesen 30'000 Menschen zu einer Räumung kommt? Unterstützung benötigt habe das BULA im Bereich der Logistikzelte, nicht beim privaten Aufbau. Oberste Priorität habe die Sicherheit gehabt. Ebenso sei der Bereich «Ruhe und Ordnung» eine grosse Herausforderung gewesen. «Wir haben unsere Leute ein Jahr vor diesem Grossanlass dafür sensibilisiert, dass das BULA mitten in den Ferien stattfindet», sagte Lorenz. «Sie haben teils Ferien verschoben, weil sie wussten: Hier mitzumachen und zu unterstützen, ist eine einzigartige Gelegenheit.» Letztlich leisteten 293 AdZS insgesamt 2035 Diensttage für das Bundeslager, dies während fünf Wochen und in 16 definierten Teilbereichen. Lorenz: «Da war einer vielleicht zwei Tage im Lager im Dienst und danach wieder drei Tage an der Arbeit, bevor er wieder zu uns stiess. Entscheidend aber war: Alle diese 293 Leute waren extrem zuverlässig!»

Vor allem eines habe das BULA einmal mehr gezeigt, resümierte Silvan Lorenz: «Es geht nicht alleine, sondern nur in Zusammenarbeit mit unseren Partnern von Polizei, Feuerwehr und vor allem auch der Armee.» Weitere Erkenntnisse lauten wie folgt: Die richtigen AdZS sind am richtigen Ort einzusetzen, der Meldefluss muss klar definiert sein und die Logistik ist den Verhältnissen anzupassen. «Es gab zu viele Schnittstellen.»

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Alle gehören von Beginn weg an den gleichen Tisch

Daniel Uhlmann und Roland Bühler sprachen als Verantwortliche Sicherheit am Eidg. Schwing- und Älplerfest (ESAF) in Pratteln von Ende August 2022. Uhlmann, Abteilungsleiter Sicherheit, zeigte Impressionen des Festes in einem Filmeinspieler. «Das Leistungsspektrum des Zivilschutzes fürs ESAF war sehr vielfältig», unterstrich er an der Fachtagung. Von den klassischen Logistikleistungen über Verkehrsdienste bis hin zu sicherheitsrelevanten Aufgaben habe die Palette gereicht. Die eindrücklichen Zahlen dazu: Insgesamt mehr als 1300 AdZS haben in Pratteln 4591 Gesamtdiensttage für das Fest geleistet.

Roland Bühler sprach über die Kommunikation im Ereignisfall und sorgte gleich zu Beginn für Lacher im Publikum, als er erwähnte, beim Versuch des zeitgerechten Einlasses der grossen Besucherströme seien jeweils die «Kafi Lutz»-Stände der Knackpunkt gewesen ... Eine wichtige Erkenntnis punkto Kommunikation – am Fallbeispiel eines fiktiven Personenunfalls am Sonntagabend im Bahnhof Pratteln – habe gelautet, dass man unbedingt sämtliche Beteiligte ab Beginn des Ereignisses mit in die Rapporte einbeziehen müsse. Während des ESAF habe man mittels regelmässiger Durchsagen in vier Sprachen an alle Festbesucher kommuniziert. Die Erkenntnis der zwei, analog den Vorrednern: Alle Blaulichtorganisationen gehören von Beginn weg an denselben Tisch! «Ihr müsst wissen, wie und mit wem ihr euch im Ereignisfall austauschen könnt. Das geht nur, wenn ihr miteinander redet!»

Beklemmende Schilderungen aus dem Ahrtal

Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal von Mitte Juli 2021 stand im Zentrum der nächsten Referate von Thomas Wruck und Christian Niemeyer vom THW Ahrweiler. Die beiden betonten gleich zu Beginn, dass natürlich auch vieles richtig gelaufen sei damals – aber man wolle ja für künftige Katastrophen Lehren ziehen und von Erkenntnissen berichten. «Deshalb sprechen wir hier heute vor Ihnen explizit über Fehler und Probleme.» Niemeyer schilderte im Detail, wie sie gegen die Flut in der Nacht auf den 15. Juli ankämpften. Wie Stromnetz und Kommunikationsmöglichkeiten zusammenbrachen, wie ihre eigenen Einheiten von der Flutwelle überrascht wurden. «17 Helferinnen und Helfer hatten eine Nahtoderfahrung und sind teils bis heute in psychologischer Betreuung», schilderte er. Man habe Menschen gerettet, Kinderleichen geborgen und Menschen von Brückengeländern geschnitten. Es sei enorm wichtig, in einem solchen Fall die Hilfe des Careteams anzunehmen und sich nicht dafür zu schämen. «Das hilft ungemein!»

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Als man am Morgen danach ein erstes Ausmass der Zerstörungen meldete – zerstörte Infrastruktur, komplette Zerstörung der Ortschaften im Bereich obere Ahr – habe man dies in der Einsatzzentrale aufgrund der unvollständigen Lage nicht geglaubt, erzählte Thomas Wruck. «Dabei lebt in Altenburg, wo das Wasser bis zu 13 Meter hoch stand, auch heute kaum mehr jemand…». Am 18. Juli waren mehr als 100 Tote zu beklagen, knapp 900 verletzte Menschen und 5500 Vermisste. Heute werden noch zwei Menschen vermisst.

Am schlimmsten sei aber gewesen, dass man von Seiten der Politik im Nachgang versucht habe, die Schuldigen ausgerechnet bei den Ehrenamtlichen zu finden, erzählten die beiden, deren Wut darob auch fast zwei Jahre später noch immer greifbar war. Ihr Tipp ganz generell: «Sorgt dafür, dass Politiker aus dem Schadensgebiet rausgehen – jeder öffentliche Auftritt lässt den Betrieb der Rettungskräfte stocken oder legt ihn ganz lahm.» Als Folge schlechter Medienarbeit, die den Katastrophenschutz der Unprofessionalität bezichtigte, sei man teils verbal angegriffen worden, teils auch körperlich. «Man hat uns mit Müll beschmissen…».

Pokalübergabe und leckeres Mittagessen

Gut, dass nach diesen ebenso eindrücklichen wie beklemmenden Schilderungen eine Auszeichnung auf dem Programm der Fachtagung stand: SZSV-Vorstandsmitglied Michel Elmer moderierte gewohnt souverän die Ehrung zum Zivilschützer des Jahres. Nach einem Filmeinspieler mit den beiden Finalisten lüftete er das Geheimnis: Zivilschützer des Jahres 2023 ist Andrea Berchtold, Kompaniekommandant in Miliz der ZSO Region Brig. Er wurde für sein grosses Engagement und sein souveränes Wirken im Vorfeld und während des BULA von der Jury zum Sieger erkoren. Berchtold zeigte sich «hoch erfreut», den Preis nehme er stellvertretend für das ganze Kader und die ganze Mannschaft, die im Goms Grosses geleistet habe, entgegen. Adrian Gasser von der ZSO Region Langnau, der mit ihm im Final gestanden hatte, gratulierte ihm fair (siehe separaten Bericht).

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Danach schritten die Anwesenden zum Apéro und Mittagessen im Hotel Olten, bevor um halb zwei der zweite Teil der diesjährigen Fachtagung losging.

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Informationen aus erster Hand von Daniel Jordi

Von Daniel Jordi, Chef Geschäftsbereich Zivilschutz und Ausbildung im BABS und Vorstandsmitglied im SZSV, gabs nach der Stärkung Informationen aus erster Hand. Er gab Informationen zum neuen Geschäftsbereich, den er leitet, an die Zivilschutzkader weiter. Zudem erläuterte er die Organisationsstruktur und die definierten Handlungsfelder, beispielsweise, dass man die Führungs- und Koordinationsrolle übernehme und den Zivilschutz und die Ausbildung zusammen mit den Kantonen und den Partnern weiterentwickle. «Ein grosses Thema sind auch die Schutzbauten», sagte Jordi. «Wir schaffen die Voraussetzungen für einsatz- und betriebsbereite Schutzbauten als ein Rückgrat der Bevölkerungsschutz-Infrastruktur.» Um auch die Bevölkerung diesbezüglich zu sensibilisieren und zu befähigen, werde man demnächst eine Broschüre online stellen. Darin steht dann etwa ganz allgemein, wie ein Schutzraum funktioniert. Oder auch ein Lüftungsaggregat. Daniel Jordi betonte, aktuell sei man noch am Bau der neuen Organisationsstruktur. Diese werde laufend aktualisiert, dies auch in der Hoffnung, künftig auf immer mehr Frauen zählen zu dürfen. Jordi: «Da ist noch ein grosses Potenzial!» Was Einsätze zu Gunsten der Gemeindschaft betrifft, so wird die Arbeitsliste mit dem Ziel aktualisiert, künftig nur noch Aufgaben zu bewilligen, die effektiv dem Zweck und den Aufgaben des Zivilschutzes entsprechen. Bezügllich Alimentierung «läuft sehr vieles», sagte Jordi. Wie die SZSV-Präsidentin zählt auch er auf das «nachhaltige Einbinden der Zivis» und ein dereinst vorliegendes neues Dienstpflichtsystem.

Es folgten diverse, durchaus kritische Fragen aus dem Plenum, etwa zum Thema Schutzräume oder zu besagtem Alimentierungsproblem und der Frage, wie man Frauen denn konkret in den Zivilschutz holen wolle.

Das Undenkbare denken

Markus Müller, Bereichsleiter Ereignisbewältigung im Bundesamt für Umwelt (BAFU), sprach über die Naturgefahren als Verbundsaufgabe im Bevölkerungsschutz. Gleich zu Beginn verteilte er Komplimente: «Für mich ist der Zivilschutz der Motor des Bevölkerungsschutzes. Er ist durchhaltefähig und wir haben Profis in unseren Reihen.» Die Wortwahl durfte Müller sich erlauben, war der doch von 2003 bis 2009 erster Kommandant der ZSO Nidwalden, wie er vor dem Plenum erzählte. Im Bevölkerungsschutz gelte immer wieder aufs Neue: «Denke das Undenkbare!» Deshalb seien für ihn auch Katastrophen wie im Ahrtal die Messlatte und nicht ein gut organisiertes Schwingfest.

Müller sagte, dass der Bund im Bereich Naturgefahren wenig Kompetenzen habe: Vier von fünf Gemeinden im Lande sind von Hochwasser/Murgang betroffen, zwei von fünf Gemeinden durch Rutschungen. Anhand des Beispiels des Hochwassers im August 2005 und die Folgen für Nidwalden vertiefte Markus Müller die Materie. Dass damals nicht mehr passiert sei und es keine Todesopfer zu beklagen gab, habe viel mit baulicher Prävention, Notfallplanung und einer eingespielten und einsatzfähigen Notorganisation zu tun gehabt. «Mit einer gewissen Demut muss man aber auch sagen: Wir hatten auch Glück!», war Müller ehrlich.

Sein Credo als Führungskraft: «Lieber falsch entscheiden als gar nicht.» Und: «Naturgefahren gehen alle an.» Aus seiner Sicht ist eine ZSO gut vorbereitet, wenn sie autonom einsetzbar ist. Der Schlüssel zum Erfolg sei aber die Einsatzplanung. Die Grundlagen seien vorhanden, also müssten sie «nur» noch angewendet werden. Dafür müsse man halt eben üben, üben, üben.

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Leben in der privilegierten Schweiz

«Strommangellage: Ausgangslage und Resümee aus Sicht von Swissgrid»: So war das Referat von Philipp Isler, Head of Security Operations & CSO, betitelt. Bei Swissgrid handelt es sich um die nationale Netzgesellschaft, die für den sicheren Betrieb und die Überwachung des hiesigen Übertragungsnetzes verantwortlich zeichnet. «Unser Übertragungsnetz verbindet die ganze Schweiz», sagte Isler. Sie tut dies mit 12'000 Strommasten, 21 Transformatoren, 6700 Kilometer Leitungen und mit 147 Schaltanlagen. Swissgrid produziert selber keinen Strom, stellt aber die sogenannte Übertragungskapazität zur Verfügung. Im Sommer, so Isler, sei die Schweiz ein klassischer Exporteur, im Winter ein ebenso klassischer Importeur von Strom. Wobei die kritischen Monate erst März und April sind, dann nämlich sind die Stauseen leer.
Er ging auf die Aufgangslage im vergangenen Jahr mit Blick auf den Winter 2022/23 ein und sprach davon, dass allenthalben auch viel «Aktionismus» geherrscht habe.
Und ja: Aus der Sicht des Fachmanns war und ist die Strommangellage auch eine Chance. Jedem und jeder in unserem Land sei wieder mal vor Augen geführt worden, in welch privilegiertem Land man lebe. «Zudem heisst es oft, in der Schweiz dauere alles etwas langsamer – aber wenn es nötig ist, sind wir fähig, schnell und unbürokratisch zu arbeiten!» Eine Notverordnung in sechs bis acht Wochen aufzugleisen, das bringe man nur in der Schweiz fertig, sagte Isler. Gut zu wissen, dass wir laut ihm «besser aufgestellt» und «besser vorbereitet» auf eine allfällige Wiederholung im kommenden Winter sind. Den Zivilschutzkader gab er folgenden Tipp mit auf den Weg: «Gehen Sie zu Ihren Energieversorgern, sprechen Sie mit ihnen, was ihre Pläne sind und was im Notfall wie funktionieren würde.»

SZSV-Präsidentin Maja Riniker sprach am Ende der sechsstündigen Veranstaltung von einer «hervorragend durchgeführten und organisierten Tagung» durch die Technische Kommission des Verbandes. Sie dankte Reto Haltinner, welcher mit seinen Moderationen durch den gesamten Tag geführt hatte, und seinem Team für ihren grossen Einsatz.

Die nächste Fachtagung findet am 7. Mai 2024 wiederum in Olten statt.

 

 

 

 


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